Rituale
Für das Ritual, mit dem wir die Jahreskreisfeste und Mondfeste feiern, gibt es eine Grundstruktur, die aber je nach Bedarf und Anlaß jederzeit variiert werden kann. Doch zunächst lohnt es sich, darüber nachzudenken, was mit einem solchen Ablauf überhaupt bezweckt werden soll.
Ein Ritual, so wie wir es verstehen, ist ein schöpferischer und meditativer Akt, der Außenwelt und Innenwelt energetisch miteinander verbindet und dadurch bestimmte Wirkungen hervorruft. Zu den Wirkungen in der Außenwelt gehören: das Aufrechterhalten der kollektiven Erinnerung an die Göttin, die kraftvolle Bestätigung der Tatsache, daß die Erde und das Leben heilig sind und unsere Liebe und Ehrfurcht verdienen, sowie - in unserer gewalttätigen Zeit besonders wichtig! - das bewußte Verstärken der Kräfte von Freude, Heilung, Fruchtbarkeit, Frieden und Furchtlosigkeit. Die Wirkungen in unserer Innenwelt haben mit unserem persönlichen Entwicklungsweg zu tun. Je nachdem, was für uns gerade ansteht, erfahren wir Heilung, Ganzwerdung, Stärkung, Versöhnung, Verwandlung, Vernetzung; wir lernen, unsere Kräfte zu erkennen, zu bündeln und freizusetzen.
Damit wir diese Wirkungen erfahren können, ist vor allem eines wichtig: Rituale müssen gelebt werden. Einfaches Nachvollziehen überlieferter oder erlernter Formen, bloßes Mitmachen oder Nachsagen genügen keineswegs, um etwas zu bewirken. Wenn wir, was durchaus vorkommen kann, einmal spüren, daß wir für ein Ritual gerade nicht in Stimmung sind und innerlich nicht “mitgehen”, ist es besser, nur stillzusitzen und die gegenwärtige Situation bewußt wahrzunehmen, als ein leeres Programm abzuspulen. Oft erleben wir es dann, daß dieses Innehalten genügt, um die Macht des Rituals doch noch entstehen zu lassen und um uns die fehlenden Kräfte - und noch viel mehr! - zurückzubringen. Und wenn nicht, macht es auch nichts. Jedes Leistungsdenken schadet der Entspannung. Unsere innere Haltung beim Ritual sollte jedoch sowohl entspannt wie auch wach und aufnahmebereit sein.
Der Ablauf
Unsere Rituale folgen einem einfachen Muster mit vielen möglichen Variationen. Die folgenden Schritte können in der Reihenfolge verändert oder durch weitere Schritte ergänzt werden.
1.) Ankommen, ganz da sein, sich in der Runde darüber austauschen, wie es jeder einzelnen im Moment geht, was sie bewegt und was sie sich wünscht. Wir sprechen auch über die Bedeutung des Festes im Jahreskreis, über den jeweiligen Aspekt der Göttin und ihres Gefährten, der dabei im Mittelpunkt steht, und tragen unser Wissen zusammen. Indem wir über die Göttin reden, kündigt sich bereits ihre Gegenwart an. Wir reinigen uns rituell mit Salzwasser und Räucherwerk und lassen damit den Alltag hinter uns.
2.) Wir ziehen den Kreis, entweder im Freien oder in einem geeigneten Raum, und schaffen dadurch einen heiligen, geschützten, gereinigten Bezirk mit einem klar markierten Zentrum (Altar oder Kerzen, Blumen, Kessel, umgeben von den Symbolen der vier Elemente). Beim Ziehen des Kreises rufen wir mit Worten und Gesängen, eventuell verbunden mit Räucherung und Salzwassersprengen, die schützenden Mächte in den vier Richtungen sowie Oben und Unten an und erleben, wie uns die Kräfte der Luft, des Feuers, des Wassers und der Erde zufließen. Spätestens an diesem Punkt sind wir nur noch Priesterinnen und Töchter der Göttin. Wir reichen uns die Hände und sprechen nacheinander “Ich schließe den Kreis”; am Ende heißt es: “Der Kreis ist geschlossen.” Eine oder mehrere von uns leiten nun abwechselnd das Ritual, die anderen beteiligen sich aktiv.
3.) Wir rufen die Göttin (und ihren Gefährten) an und bitten sie um ihre Präsenz, ihre Liebe, ihren Segen, ihre Führung. Wir tragen ihr unsere Anliegen vor und verschmelzen letztendlich mit ihr. Der deutlich spürbare Segen berührt uns selbst, den Raum, besonders den Altar mit allen Symbolgegenständen sowie dem bereitgestellten Brot und Wein, er berührt aber auch das ganze Haus, den Ort, das Land, die Natur, alles, was lebt, die ganze Welt. Wir können ihn auch durch unser Gebet dorthin lenken, wo ihn Menschen oder Orte besonders nötig haben. Im Ritual des Segens lassen wir die Kräfte auch bewußt durch uns hindurchfließen und setzen sie frei.
4.) Je nach Anlaß vergegenwärtigen wir uns nun die gegenwärtige Phase des Jahreskreises und führen besondere Praktiken der Reinigung, Befragung oder Heilung durch, stellen vielleicht Amulette her, weihen Ritualgegenstände, führen Meditationen, innere Reisen, Übergangsrituale oder magische Akte durch oder erhalten Einweihungen, beispielsweise in die vier Elemente und die vier Gesichter der Göttin. Dies ist die Zeit des Lernens und Wachsens. Zum Abschluß meditieren und erfahren wir, daß wir mit der Göttin eins sind.
5.) Zum Zeichen dafür, daß SIE unseren Körper nährt und unseren Geist mit Inspiration, Freude und Ekstase erfüllt, teilen wir miteinander Brot und Wein. Mit einem Kuß reichen wir den Kelch, aus dem wir getrunken haben, an unsere Schwester weiter, und geben den Teller mit dem Brot herum.
6.) Das Einssein mit der Göttin und die Freude darüber wird durch Singen, Tanzen, Trommeln, überhaupt durch Musik und Bewegung zum Ausdruck gebracht.
7.) In einer abschließenden Runde formulieren wir, was uns bewegt, was wir mitnehmen, was uns wichtig war oder ist.
8.) Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei der Göttin, allen anwesenden Kräften und Mächten, den beteiligten Schwestern und öffnen den Kreis. Was an Energie in ihm enthalten war, geht als Geschenk an die Umgebung. Sorgfältige Erdung nicht vergessen!
9.) Die Rückkehr in die konventionelle Wirklichkeit und die notwendige Erdung erfahren wir durch ein gemeinsames fröhliches Festmahl.
Anrufung der Richtungen und Elemente verfaßt von unserer Ritualpriesterin Brigid Ich rufe den Osten, ich rufe die Luft, ich spüre die Winde, wie sie mich umwehen. Ich bin der Wind, ich bin der Wind, ich bin die Kraft. Ich rufe den Süden, ich rufe das Feuer, ich spüre die Flammen, wie sie mich erwärmen. Ich bin das Feuer, ich bin das Feuer, ich bin die Kraft. Ich rufe den Westen, ich rufe das Wasser, ich spüre die Wellen, wie sie mich umfließen. Ich bin das Wasser, ich bin das Wasser, ich bin die Kraft. Ich rufe den Norden, ich rufe die Erde, ich spür ihre Wurzeln, wie sie mich umfassen. Ich bin die Erde, ich bin die Erde, ich bin die Kraft. Ich rufe nach oben, den Himmel, den ruf ich, dessen Licht mich erfüllt. Ich bin das Licht, ich bin das Licht, ich bin die Kraft. Ich rufe nach unten, die Tiefe, die ruf ich, deren Kraft mich erhält. Ich bin die Tiefe, ich bin die Tiefe, ich bin die Kraft. Ich rufe die Göttin, die Göttin, die ruf ich, die segnet und schützt und deren Tochter ich bin. Ich bin die Göttin, ich bin die Göttin, ich bin die Kraft.
Dankeslied zum Ritualabschluss
Ich danke dem Osten, den Winden, die wehn. Ich danke dem Süden, dem Feuer, das brennt. Ich danke dem Westen, dem Wasser, das fließt. Ich danke dem Norden, der Erde, die trägt. Ich danke dem Himmel, dessen Licht mich erfüllt. Ich danke der Tiefe, deren Kraft mich erhält. Ich danke der Göttin, die segnet und schützt. Ich danke der Göttin, deren Tochter ich bin.