kult
Die Inder führen den Geist und die Technik ihres Tanzes auf Gott Brahma zurück, der sie dem Weisen Bharata offenbarte. Bharata schrieb vor über 2000 Jahren das Natya Shastra, das grundlegende Werk für den indischen Tanz und die Dramen. Der klassische indische Tanz besteht aus drei grundlegenden Teilen:
- Natya: die Verbindung von Tanz und Schauspiel - Nritta: reiner Tanz, der reine Technik zeigt, Rhythmen, verschiedene Stellungen, Fußtechniken darstellt - Nrtya: vermittelt eine Stimmung und erzählt eine Geschichte oder ein ganzes Drama. Augen und Augenbrauen, Hände und Finger, Hals und Füße - der gesamte Körper wird zum Mittel des Ausdrucks. Drama, Tanz und Musik sind untrennbar miteinander verbunden. Nach dem Glauben der Inder ist der Tanz älter als die Erde, denn Gott Shiva, der kosmische Tänzer, war von Anbeginn, und er steht für die Energie, die alles erschafft, verwandelt und belebt. Die Statue des tanzenden Shivas, auch Nataraja genannt, könnt ihr überall in Indien sehen. Der Tanz ist somit eine heilige Handlung und beginnt auch immer mit einer Anrufung Shivas. Deshalb wurden diese Tänze auch jahrhundertelang nur in Tempeln zum Entzücken der Götter getanzt. Die Devadasis, die Dienerinnen der Götter, waren speziell ausgebildete Tänzerinnen, die als kleine Mädchen dem Tempel geweiht wurden und ein asketisches Leben führten. Mit dem Niedergang der Religion wurden die Devadasis zum Spielzeug für reiche Maharajas und britische Kolonialherren. Sie gerieten in den Ruf einer Prostituierten und der Tanz wurde verweltlicht. Mit der Auflehnung gegen die Entfremdung durch den britischen Kolonialismus setzte ab 1930 eine Renaissance des Tempeltanzes ein. Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi, Rabindranath Tagore, Jawarharlal Nehru und Tänzer wie Ram Gopal und Rukmeni Devi besannen sich auf das alte Erbe und belebten den Geist des indischen Tanzes neu. Es wurde nun auf der Bühne und im Theater getanzt, die durch den vollendeten Tanz eines großen Tänzers zu einem Tempel wurde (siehe hierzu Kalakshetra). Tausende von Menschen konnten nun das Ramayana, die Geschichte Shivas oder Krishnas Spiel mit den Gopis als Tanzdrama, begleitet von Musik und Gesang, erleben. Und der alte Glaube wurde wieder wach, daß der angerufene Gott selbst in dem Tänzer tanzt, indem dieser seine Mudras und Bewegungen darstellt. Es gibt mehrere klassische indische Tanzschulen, die sich an unterschiedlichen geographischen Orten Indiens entwickelten. Am bekanntesten ist der Bharat Natyam, der in den Tempeln des Südens entstand und dort ausgeübt wurde. Dies ist ein hochstilisierter Tanz, der eine Geschichte durch die Sprache der Gestik und Mimik vorträgt und von Gesang und Musik begleitet wird. Auch die Kostüme und das Make-up sind bis in alle Einzelheiten festgelegt. Eine vollendete Bharat Natyam Tänzerin benötigt zehn Jahre intensiven Trainings.
Kathakali ist ein weiterer alter Tanz, der in Kerala entstanden ist. Katha bedeutet eine Geschichte, ein Thema, Kali ist ein Spiel, Kathakali meint somit ein Tanzdrama. Kathakali wird normalerweise im Freien auf religiösen Festen in Tempeln und Palästen getanzt. Der Tanz wird während der Nacht, im Licht der Öllämpchen vorgeführt, was eine besonders schöne Atmosphäre ergibt, und durch Musikinstrumente und Gesang begleitet. Ein kunstvolles Make-up und kostbare phantasievolle Kostüme sind sein besonderes Merkmal: sie stellen den Charakter der Personen dar. Hervorragende Charaktere wie Krishna und Arjuna tragen ein grünes Make-up, ein rotes Make-up bekommen wütende, unintelligente Personen wie Dämonen, böse Geister etc.. Kathakali-Vorführungen sind in Ernakulum zu sehen. Im Gegensatz zum Bharat Natyam wird der Kathakali ausschließlich von Männern getanzt. Die Themen stammen gewöhnlich aus den Epen des Ramayana und Mahabharata und werden durch kunstvolle Gestik und Mimik, von Tabla und Gesang begleitet, dargestellt. Kathak, ein Tanz, der sich auf das nördliche Indien beschränkt, wurde unter der Mogulherrschaft von einer traditionellen in eine hochentwickelte Tanzform ausgebildet. Seine Merkmale sind blitzschnelle Fußbewegungen und ein genau eingehaltener Rhythmus. Der aus dem Osten Indiens stammende Manipuri ist ein graziöser Tanz, der durch attraktive Kostüme noch verschönert wird. Orissi, wie der Name sagt, in Orissa entstanden, hat viele Ähnlichkeiten mit dem Bharat Natyam, ist aber graziöser und zeigt mehr Sinnlichkeit. Er gehört seit dem 12. Jh. fest zum Ritual des Jagannath-Tempels im Puri und wird dort auch noch getanzt. Seit einigen Jahren findet in Khajuraho alljährlich im Februar oder März ein Tanzfestival vor dem Hintergrund der berühmten Tempel statt. Diese Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen. Der genaue Termin für das Festival im darauffolgenden Jahr wurde bisher immer am Ende der Aufführungen festgelegt und ist in den meisten Touristenbüros bekann.